Rock Hard Festival 3. Tag

Auch der zweite Tag des Festivals mit TURBONEGRO als Headliner hat ganz offensichtlich bei den Fans seine Spuren hinterlassen, es muss wohl noch eine rauschende Party gewesen sein. Doch auch der Himmel hat eine Party gefeiert, denn ans Sitzen war im Amphitheater mit ordentlich Regenwasserpfützen noch nicht zu denken. Nach und nach löste sich aber auch dieses Problem in Wohlgefallen auf, denn die Sonne kam durch und mit ihr krochen auch immer mehr Metalfans aus ihren Löchern, um sich mit DISCREATION den ersten Act des Tages anzusehen. Auch in diesem Fall bestätigte sich das Schicksal des ersten Auftritts, sodass die Herren von einem Publikum empfangen wurden, das zwar noch etwas müde war, aber sich durchaus schon wieder in Feierlaune zu befinden schien, wie Mitarbeiter der verschiedenen Bierstände bereits um halb 12 bemerken durften. Das aktuellste Album der deutschen Death Metaller aus dem Großraum Frankfurt heißt „Procreation of the Wretched“, nicht zu verwechseln mit „Procreation of the Wicked“ von CELTIC FROST. Der namensgebende Titel des Albums von Discreation ist ein ordentliches Kraftpaket mit tiefen Growls, Blastbeats und einprägsamen Melodien, das auch beim Gelsenkirchener Publikum hervorragend ankam. Auch Sänger Marco Reitz widmete sich zwischen den Stücken dem Gerstensaft und sagte, das sei völlig ok, schließlich sei es bereits nach Zwölf. Unter anderem spielte die Band „The Silence Of The Gods“, „Breeding Terror“ und „To Cosmic Shores“, immer ordentlich begleitet von Applaus aus der stetig wachsenden Menge.

Nach einer kurzen Umbaupause, in der wir uns vergewissert haben, ob das am Samstagabend leider vergriffene Pulled Porc auch wirklich (wie versprochen) nachgefüllt wurde (wurde es), ging es weiter mit BLACK TRIP aus Stockholm, Schweden. Sänger Joseph Tholl kennt man außerdem als Gitarrist von ENFORCER. Auffällig war an dem Auftritt der Truppe, dass die Band sofort das Publikum im Griff hat, das mit Klatschchören die ersten Titel „Die With Me“, „Danger“ und „The Bells“ begleitet. Dass das Publikum so stark dabei ist, hat ganz sicher einerseits den Hintergrund, dass Tholl eine besondere Bühnenpräsenz hat und mindestens so wirkt, als wäre er ein alter Hase in dem Business. Andererseits scheint sich die Band untereinander hervorragend zu verstehen, was das Publikum natürlich sofort merkt und weiterverarbeitet. BLACK TRIP vereinen Heavy Metal mit einer satten Portion Rock ‘n‘ Roll und sind live einfach gute Unterhaltung mit guter Musik, ohne dabei langatmig zu sein. Mit „Radar“ verabschieden sich die Herren von der Bühne, um Platz zu machen für die Progressive Metaller von Nightingale.

Die Schweden um Sänger Dan Swanö, der bereits mit seiner Band EDGE OF SANITY einige Bekanntheit erlangte, hatten zu Anfang einige Tonprobleme. Die hatten zur Folge, dass das Mikrofon von Sänger Swanö nicht zu hören war. Nachdem dieses Problem während des Auftritts gelöst wurde, konnten die Progressive Metaller mit leichtem Hang zum Gothic Metal zeigen, welche Tiefe in ihren Songs steckt. Auch sie waren zwar schön anzuhören und auch das Publikum war in Teilen begeistert von dem Auftritt, aber sie waren leider nicht imstande, einen wirklich explosiven Auftritt hinzulegen. Das mag nicht nur an den zum Teil komplexen Stücken liegen, sondern vermutlich auch etwas an der Gothic-Atmosphäre, die die Band wohl oder übel auch durch Sänger Swanö erzeugt, der auf der Bühne nicht unbedingt als wahnsinnig aufgeschlossen, sondern eher als zurückhaltender Sänger gelten muss. Trotzdem war das Amphitheater gut gefüllt, was sich auch bis zum Ende des Tages nicht mehr ändern sollte, schließlich wartete das Festival noch mit Großkarätern wie RIOT V, CANNIBAL CORPSE und BLIND GUARDIAN auf. NIGHTINGALE spielten bei ihrem Auftritt unter anderem „Chasing The Storm Away“, „Steal The Moon“ und den Titel „Black Tears“, der durch ein Cover von HEAVEN SHALL BURN zu einiger Bekanntheit gelangt ist. Was für eine unglaubliche Kraft dieser Titel entfaltet, kann man zuhauf bei Youtube sehen und auch hier verfehlte er seine Wirkung nicht.

Stimmungsmäßig konnte NIGHTINGALE allerdings ihrer Nachfolgeband ORDEN OGAN absolut und ohne jeden Zweifel nicht das Wasser reichen, was natürlich daran liegt, dass Power Metal potentiell eine etwas größere Reichweite hat, als Progressive- beziehungsweise Gothic Metal. Übrigens Wasser reichen, während des NIGHTINGALE-Auftritts hat es immer mal wieder geregnet, auf den Punkt genau zum Auftritt von ORDEN OGAN hat es sich damit erledigt. Das trägt natürlich zur guten Stimmung der Fans bei, die empfangen werden von einer sympathischen und gutgelaunten Band, die eine hervorragende Setlist und ein tolles Bühnenbild im Gepäck hat, selbstverständlich mit dazu passenden Outfits. Und so geht es auch direkt kraftvoll los mit „Ravenhead“, gefolgt von „Here At The End Of The World“ und „We Are Pirates“. Alles in Allem eine wirklich gute Show mit ordentlich Power Metal, der von wirklich starken Sing-Along-Lyrics profitiert. Was zur guten Stimmung ordentlich beiträgt, ist die mittlerweile zum Running Gag gewordene Ankündigung des Titels „F.E.V.E.R.“. Sänger Sebastian „Seeb“ Levermann erklärt dabei, dass er eine wahnsinnig wichtige Ankündigung machen muss, die so derartig wichtig sei, dass das Leben einiger Anwesender davon abhinge. Dann kommt besagte Info, nämlich, dass Gitarrist Tobi gerne Currywurst isst. Typisch sympathischer Metaller-Humor. Nächster in der Reihe ist Basser Niels, der ebenfalls gerne Currywurst isst. Letzter im Bunde ist Schlagzeuger Dirk, der nicht so gerne Currywurst isst, weil er beim letzten Genuss einer Currywurst krank geworden sei und das FIEBER bekommen hätte. Das Publikum kennt das, riesige Freude und Partystimmung macht sich breit und zelebriert den Titel. Anschließend spielt die Band noch als einen Höhepunkt „The Things We Believe In“ und verabschiedet sich von der Bühne, um Platz zu machen für MOONSPELL.

Die Truppe um Fernando Ribeiro aus Lissabon kommt mit opulentem Bühnenbild, das einen riesigen Widderschädel am Schlagzeug, Orgelpfeifen am Keyboard und das Artwork des aktuellen Albums „Extinct“ umfasst. Sofort ist die Band präsent und startet mit „Breathe (Until We Are No More)“, um dann direkt zum namensgebenden Titel des neuen Albums überzugehen. Es herrscht sehr gute Stimmung, während immer mal wieder ein ordentlicher Wind in Richtung Bühne pustet, der aber nur dem atmosphärischen Spiel der Truppe in die Hände spielt und den Nebelmaschinen noch einen gewissen Kick verleiht. Auch hier ist wieder eine gesunde Mischung der Titel zu bemerken, selbstverständlich wird als nächstes der MOONSPELL-Klassiker „Opium“ gespielt und auch Vampiria oder „Ataegina“, zu dem das Publikum laut hörbar mitsingt. Wirklich solide Darbietung der Band, die sich 1989 gegründet hat, und bei diesem Auftritt im Jahr 2016 eben auch dem ersten Album „Wolfheart“ Tribut zollt.

Anschließend kam mit RIOT V eine wirklich legendäre Power-Metal-Truppe auf die Bühne, deren ursprünglicher Sänger zwar tot ist, wie im Übrigen auch der ehemalige Gitarrist der Band, Mark Reale, und von deren ursprünglicher Besetzung niemand mehr in der Band spielt. Das ist aber selbstverständlich ein Umstand, mit dem viele Bands sehr erfolgreich umgehen, so auch RIOT. Wie MOONSPELL vor ihnen, so zollten auch die Herren um Sänger Todd Michael Hall vergangenen Zeiten Tribut, indem sie mit dem Titel „Narita“ vom gleichnamigen Album aus dem Jahr 1979 einstiegen. Todd Michael Hall, der zuweilen wild gestikulierend auf der Bühne herumsprang, ist zwar kein besonderer Sympath, er sorgte aber dafür, dass das Publikum tatsächlich sofort an seinen Lippen hing, und wirklich einige der 13 Songs, unter anderem den ebenfalls etwa aus der „Narita-Ära“ stammenden Klassiker „Swords and Tequila“ oder auch den abschließenden Titel „Thundersteel“ ordentlich mitsingt, wobei der besonders cleane und fast schon perfektionistisch wirkende Gesang Halls natürlich hervorragend mit den Sing-Along-Titeln zusammenpasst.

Mitsingen ist bei der nächsten Band etwas schwieriger und Cannibal Corpse sind definitiv Geschmackssache, weshalb vereinzelt Zuschauer die Treppen in Richtung Bier und Bratwurst emporstiegen, als die Death Metaller mit „Evisceration Plague“ von dem gleichnamigen Album aus dem Jahr 2009 starten, das in Deutschland als viertes Cannibal-Corpse-Album auf dem Index steht, was für Live-Auftritte natürlich kein Problem darstellt. Vor der Bühne rasteten viele Fans bereits jetzt aus, was sich in einem ziemlich aggressiven Moshpit widerspiegelt, der von Anfang bis Ende gleichsam kraftvoll sein sollte. Corpsegrinder, der sich an diesem Tag in echter Topform befindet, heizt die Stimmung mit seinem exzentrischen Moshen weiter an, während die Band Titel wie „Death Walking Terror“, „Stripped, Raped And Strangled“ und natürlich „Hammer Smashed Face“ spielt. Man merkte bei Cannibal Corpse jedenfalls ganz klar, dass die Hardcore-Fans der Band hier ganz klar auf ihre Kosten gekommen sind. Auffällig: Bassist Alex Webster trägt während des Auftritts einen hautfarbenen Handschuh, vermutlich aus Gummi, der ihm sein aggressives Spiel erleichtert. Möglicherweise auch durch eine leichte Verletzung. Warum genau, soll unklar bleiben. Insgesamt aber bleibt festzuhalten, dass die Band einen phantastischen Auftritt hingelegt hat, der den Fans absolut in Erinnerung bleiben wird.

Das Gleiche kann und muss man über BLIND GUARDIAN sagen, die fulminant starten mit „The Ninth Wave“ dem Eröffnungsstück des aktuellen Albums namens „Beyond The Red Mirror“. Gemeinsam mit „Prophecies“ wird es der einzige Titel des neuen Albums sein und das mit gutem Grund. Nicht etwa, weil die neuen Titel schlecht wären, denn das sind sie mitnichten. BLIND GUARDIAN wissen viel mehr, wie sie live wirken und welche Titel das Publikum zum Explodieren und Mitsingen animieren. Dazu kommt, dass Sänger Hansi Kürsch ein charismatischer und begnadeter Live-Sänger ist, der, zur Freude der zahlreich anwesenden Fotografen auch starke Gesten benutzt und das Publikum in seine Bühnenshow miteinbezieht. Zu den Fotografen ist noch einmal zu sagen, dass besonders bei Blind Guardian der Fotograben komplett voll war, sodass das Fotografieren nicht nur anstrengend war, sondern zuweilen auch keinen Spaß mehr gemacht hat, weil sich die Gäste im Fotograben eben nicht mit den Regeln auskennen, die man als Konzertfotograf unbedingt beachten muss. Dazu gehört beispielsweise, nicht per Display zu fotografieren, weil Mancher dafür die Kamera hochhebt und auf diese Weise anderen Fotografen jeden Raum nimmt, ordentliche Fotos zu machen.

Der Auftritt der Truppe war davon selbstverständlich nicht betroffen, die Herren lieferten mit ihrem neuen Basser Barend Courbois aus den Niederlanden einen hervorragenden Auftritt ab, der mit einer satten Lichtshow daherkam. Inklusive Nebelmaschinen, der Szenerie des Amphitheaters und den aus vollem Herzen mitsingenden Fans war es ein wirklich unglaublicher Act, der jedem Anwesenden im Gedächtnis bleiben muss. Mittlerweile obligatorisch geworden ist natürlich „The Bards Song“, der, wie sonst auch, zu großen Teilen vom Publikum gesungen wurde. Großartig und wahnsinnig brachial war aber auch „Valhalla“, bei dem die Securities im Fotopit extrem viel zu tun hatten, weil in kürzesten Abständen Crowdsurfer in ihre Richtung transportiert wurden. Insgesamt spielte die Bands 16 Titel, zu denen natürlich auch „Nightfall“, „Time Stands Still (At The Iron Hill)“, oder auch „Imaginations From The Other Side“ zählten. Nachdem nicht nur in der Mitte vor der Bühne, sondern auch auf den Zuschauerrängen ordentlich gemosht wurde, verabschiedete sich die Band mit den beiden wirklich starken Brechern „Mirror Mirror“ und „Majesty“. Toller Auftritt von BLIND GUARDIAN, ebenfalls wahnsinnig tolle Auftritte der anderen Bands bei diesem Festival. Wir freuen uns schon sehr aufs nächste Jahr, dann vielleicht mit noch etwas mehr Abwechslung, was das jeweilige Subgenre der auftretenden Bands angeht.