SONATA ARCTICA – »Clear Cold Beyond«

SONATA ARCTICA waren schon vieles: Power-Metal-Heilsbringer, finnische Weltentdecker, Meister der erhabenen Melodie. Vor allem aber sind sie Botschafter dieser unerklärlichen Magie, die den Heavy Metal durchströmt. Seit ihrer Gründung im Jahr 1995 sind sie ein Spiegel der majestätischen nordischen Natur, haben sie die Welt mit zehn Alben, EPs und unzähligen Tourneen in ihren Bann gezogen. Das Geheimnis der Ausnahmeband? Ihre Musik wird im Winter vom Nordlicht und im Sommer von der Mitternachtssonne beschienen. Und das hört man. Ihr neuestes, elftes Werk »Clear Cold Beyond« nimmt dabei eine besondere Stellung in ihrer langen und erfolgreichen Karriere ein: Es trägt die Fackel ihres Vermächtnisses erhaben in die Zukunft und knallt uns ein weiteres Magnum Opus finnischer Power-Metal-Zauberei vor den Bug. Es ist locker ihr bestes Werk seit »Winterheart’s Guild«. Und sogar noch furioser.

Es müssen deswegen auch nur wenige Sekunden des stürmischen Openers ‚First In Line‘ vergehen, um eines klarzumachen: Das hier wird eine ganz besonders wilde Jagd. Ein donnerndes Schlagzeugintro, das für die Band typische, jubilierende Duell zwischen Gitarren und Keyboards und der erhabene, festliche Gesang sind alles, was es braucht, um den Hörer in diesen seltenen Zustand klanglicher Glückseligkeit zu versetzen: Den SONATA-Effekt. Ja, vielleicht ist dort oben in den endlosen Seen Finnlands wirklich was im Wasser. Vielleicht macht es etwas mit der kreativen Seele, sich von den Kräften der Natur, der Einsamkeit und den Legenden der Kalevala nähren zu lassen. »Clear Cold Beyond« bricht jedenfalls wie ein Sturm aus den verschneiten Bergen über die Hörerschaft herein, strotzend vor majestätischen Songs und einem ausgeprägten Gespür für unvergessliche Melodien, wie sie nur diese Band schreiben kann.

Dieser wilde Blick zurück auf vergangene Ruhmestaten folgt den beiden »Acoustic Adventures«-Alben aus dem Jahr 2022, die der Band einen „Reset“ ermöglichten, wie Frontmann, Leadsänger und Songwriter Tony Kakko es beschreibt: „Es war eine Chance, mal langsamer zu machen, über das nachzudenken, was wir in der Vergangenheit getan haben, und unseren langgehegten Traum von einem Akustikalbum nebst Tournee zu erfüllen.“ Aber so gut diese zurückgenommenen, intimen und berührenden Akustikversionen ihres geschichtsträchtigen Katalogs auch funktionierten: SONATA ARCTICA sehnten sich zunehmend danach, die Verstärker wieder auf 11 zu drehen. „Nach all dem fühlt es sich tatsächlich wie ein Neuanfang an, wieder zum Metal zurückzukehren“, freut sich der Fronter.

Und wie sie das tun: »Clear Cold Beyond« ist mit Abstand das bisher unerbittlichste SONATAARCTICA-Album, eine spektakuläre Wiederbelebung ihres blitzschnellen, weit, weit im Norden geschmiedeten Power Metal. „Wir hatten schon seit einiger Zeit das Gefühl, dass wir nach ein paar ungewollt sanfteren Alben wieder härter werden wollten“, sagt Tony. „Wir lieben diese Alben immer noch, aber wenn es darum geht, Eckpfeiler für eine melodische Wohlfühl-Metal-Show zu finden, hatte das vorherige Album nicht viel zu bieten. Das ist eine Sache, die wir ändern wollten: Mehr Tempo und mehr Songs, bei denen die Leute mitsingen können und wollen.“ Keine Sorge: Man kann sie förmlich schon singen hören.

»Clear Cold Beyond« wurde von Mikko Karmila, einer Schlüsselfigur ihrer frühen Tage, produziert und klingt massiv, schwer und hungrig. Die Platte ist eine Verbeugung vor ihren frühen Arbeiten, als alles noch von einem tiefen Gefühl der Magie und des Geheimnisses umgeben war. Diese Magie ist jetzt wieder da – aber in einer Band, die 25 Jahre auf dem Buckel hat und vor Erfahrung nur so strotzt. Eine grandiose Mischung. Dabei ist es übrigens kein Geheimnis, dass die Jubiläumstour zum 25. Geburtstag eine gewisse Rolle bei dieser wiedergefundenen Liebe zur Power-Metal-Hexerei gespielt hat. Tony Kakkobringt es auf den Punkt: „Wir hatten einen Haufen alter SONATA-Klassiker auf der Setlist und es hat so viel Spaß gemacht, diese wieder zu spielen, aber auch zu sehen, wie diese Oldies bei den Leuten ankommen.“ Das haben sie einfach mit ins Studio genommen: SONATA ARCTICA strotzen nur so vor Energie und liefern eine Stampede aus winterlichem Power Metal ab. „Es ist… verjüngend“, sagt Tony. „Es hat uns wirklich sehr viel Freude bereitet, die Songs zu schreiben und aufzunehmen. Wir können es kaum erwarten, mit diesem Album auf Tour zu gehen und zu sehen, wie die Leute wiederum darauf reagieren.“ Man muss kein Wahrsager sein, um das Ergebnis vorherzusagen. Rüstet euch, der Winter naht!

Die Platte entstand während einiger verwunschener Herbstwochen des Jahres 2022. Und irgendwie fand sie Tony Kakko in einer besonders privilegierten Lage wieder: Er konnte einfach nicht aufhören, einen Banger nach dem anderen zu produzieren – ein neuer Karrierehöhepunkt in Sachen Kreativität für den Bandleader: „Als ich einmal angefangen hatte, kamen einfach immer mehr Songs, aber irgendwann muss man sich die aussuchen, die man braucht, und diese Tracks weiter perfektionieren. Das bedeutet, dass ich für unser zwölftes Album bereits einige halbfertige Songs in der Schublade liegen habe. Ich platze förmlich vor Ideen. Aber das Wichtigste zuerst, also lasst uns das Album herausbringen und auf Tour gehen!“

Obwohl es um existenzielle Fragen geht, um das Leben auf diesem Planeten und darum, wie wir alles zerstören, wird »Clear Cold Beyond« immer noch von eskapistischen Songs flankiert. „Das ist nicht wirklich meine Stärke“, lacht Tony. „Aber ich denke, das ganze Album hat eine fast sonnige Ausstrahlung. Arktisch sonnig, versteht sich. Aber es wäre kein SONATA-Album, wenn es nicht auch Stücke über unglückliche Liebe und gebrochene Herzen geben würde.“ Und da ist noch was: Das monumentale Epos ‚Dark Empath‘ ist die direkte Fortsetzung des unsterblichen ‚Don’t Say A Word‘ von 2004! „Diese Saga begann mit unserem zweiten Album »Silence« im Jahr 2001 und ich habe tatsächlich den Überblick verloren, wie viele Fortsetzungen und Prequels es bisher gegeben hat“, grinst Tony. „Es ist ein Stalkerthema, das einen sehr geeigneten Rahmen für das Schreiben von Songs in einem bestimmten Stil bietet. Glücklicherweise scheint das die Leute nicht zu stören.“ Das ist natürlich nur ein Scherz: Es ist einer der vielen Höhepunkte eines unglaublich beeindruckenden Albums.

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Author: Thomas Fiedler

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