
Wenn man an die langlebigsten und einflussreichsten Bands im Thrash Metal denkt, kann man Testament aus der Bay Area unmöglich von einer solchen Liste ausschließen, da sie wohl die beständigste Band innerhalb dieses Genres ist. Fünf Jahre sind seit dem letzten Album der Band, Titans of Creation, vergangen und in dieser Zeit hat die Welt erhebliche Veränderungen und Umwälzungen durchgemacht. Apropos Veränderung: Seit dem letzten Album von Testament hat die Band zweimal den Schlagzeuger gewechselt und nach dem Ausstieg von Dave Lombardo wurde 2023 Chris Dovas wieder ans Schlagzeug gesetzt. Der Titel ist der lateinischen Phrase Si vis pacem, para bellum / Wenn du Frieden willst, bereite dich auf den Krieg vor. Auf dem vierzehnten Studioalbum der Band (wenn man First Strike Still Deadly mitzählt) setzt sich Testament, wie viele Künstler der letzten Zeit, mit der Beschleunigung der Technologie und der dadurch verursachten Entfremdung auseinander und reflektiert diese.
Mit dem ersten Track For The Love of Pain zielen Testament mit ihrer ersten Salve direkt an die Kehle. Dovas kündigt seine Ankunft mit einem kurzen Schlagzeug-Intro an, bevor die knisternden Riffs von Eric Peterson und Alex Skolnick einsetzen. Dovas‘ Double-Kick-Drumming sorgt für eine unmittelbare und mitreißende Atmosphäre, die den Song zum brutalsten Opener der Band auf ihren letzten Alben macht. Dazu sind Chuck Billys Vocals bösartig ätzend und führen For The Love of Pain zu flüchtigen Momenten eines Death/Thrash-Hybrids. Der Text (interessanterweise gemeinsam geschrieben von Chris Dovas und Eric Peterson) ist eine eindringliche Widerspiegelung des modernen Verfalls und fängt die Sucht der Menschheit nach der Illusion von Kontrolle, die Suche nach Sinn im Chaos, aber auch das Paradox ein, in der Agonie Ekstase zu finden.
Testament haben sich noch nie vor Abwechslung gescheut, und Para Bellum fängt die verschiedenen Wege, die die Band beschreitet, perfekt ein. „Dieses Album fängt viele verschiedene Seiten der Band im Laufe der Jahre ein, zusammen mit einigen frischen, neuen Sounds“, bemerkt Alex Skolnick. „Da ist für jeden etwas dabei. Ihr werdet nicht enttäuscht sein.“ Die Band untermauert diese Aussage mit den nächsten beiden Songs. „Shadow People“ und „Meant To Be“ bilden einen starken Kontrast. „Shadow People“ ist ein groove-geladenes Werk, das die Zuhörer vom ersten Riff an mit dem Kopf wippen lässt. Auch hier finden sich Anklänge an Black Metal, aber das Album erinnert auch an Alben wie „The Gathering“.
„High Noon“ beginnt mit Billys knurrendem „High Noon, Death Soon“ und dem Geräusch einer geladenen Waffe. Mit Themen wie Fatalismus und Sterblichkeit schildert der Song das gewalttätige Leben eines Revolverhelden, gefangen in einem Teufelskreis aus Duellen. Er demonstriert zudem Billys stimmliche Bandbreite, insbesondere nach einem Song wie „Meant To Be“. Stampfend und unerbittlich verleiht der Track dem Album Tiefe und unterstreicht die ohnehin schon messerscharfe Synergie zwischen Chris Dovas und dem erfahrenen Bassisten Steve DiGiorgi. Technisch ist die Band so eingespielt und versiert wie eh und je.
Das Album endet mit dem sechseinhalbminütigen Titeltrack, der den Kreis schließt und etwas von der Brutalität der ersten beiden Songs wiederherstellt. Nichtsdestotrotz gibt es noch immer Momente melodischer Aggression und ein feuriges Gitarrensolo, das sich anfühlt, als würde es problemlos zu jedem früheren Material der Band passen. Textlich ist es ein Schlachtruf, der politischem Betrug und autoritärer Kontrolle entgegentritt und zum Widerstand aufruft. Schlangenbilder und lebendige Darstellungen des Chaos unterstreichen seinen Aufruf zu Wachsamkeit und Trotz. Angst und Schmerz / Unklare Verbreitung von Hass / Mantel der Täuschung / Flüsternde Stimmen der Angst. Para Bellum fühlt sich wie der unvermeidliche Höhepunkt der Fäden aus Täuschung, Kontrollverlust und steigender Aggression des Albums an und wendet sie nach außen in einen expliziten Aufruf zum Widerstand. Der Titeltrack beendet das Album mit kalkulierter Wildheit und kanalisiert unerbittliches Riffing, vielschichtige Instrumentierung und durchdringende Texte in einem definitiven Testament-Statement.
Über vier Jahrzehnte hinweg haben sich Testament als kolossale Kraft im Thrash Metal erwiesen, und Para Bellum bestätigt ihre anhaltende Autorität. Mit Chris Dovas am Schlagzeug hat die Band ein Juwel ausgegraben, dessen explosive Energie jedes Riff und jede rhythmische Welle antreibt. „Er ist so inspiriert und gibt Ideen schnell wieder“, kommentiert Eric Peterson. Die erste Hälfte des Albums glänzt mit Abwechslung, von vernichtenden Thrash-Attacken bis hin zu ausgedehnten, emotionalen Momenten wie „Meant To Be“, die dynamisches Zusammenspiel und scharfe lyrische Einsichten zeigen. Die zweite Hälfte schränkt die Klangpalette ein – was manche als kleine Einschränkung empfinden mögen – behält aber eine Dynamik bei, die den Hörer packt. Para Bellum unterstreicht, warum Testament nach wie vor wichtig ist, und balanciert bösartige Bedrohung, ätzende Raffinesse und schiere musikalische Kraft. Legendär, wild und relevant.
Tracklist
- For the Love of Pain
- Infanticide A. I.
- Shadow People
- Meant to Be
- High Noon
- Witch hunt
- Nature of the Beast
- Room 117
- Havanna Syndrome
- Para Bellum
Ich gebe 7,5 von 10 Punkten