Cradle of Filth in der Essigfabrik

Es ist ein ganz klares Zeichen gegen den aktuellen Trend, das die Briten CRADLE OF FILTH auf ihrer aktuellen Tour zum Silberling „Cryptoriana – The Seductiveness of Decay“ setzen, denn wo andere Truppen die Geduld der Zuschauer mit kleinen Ein-Tages-Festivals und unzähligen Vorbands teilweise wirklich strapazieren, setzen Dani Filth und seine Mitstreiter auf einen hochwertigen Support. Das ist auch gut so, denn mit den Portugiesen MOONSPELL ist hier eine Band mit an Bord, die durchaus selbst das Potential zum Headliner hat und somit auch eine ordentliche Spielzeit verdient. Klar, dass wir uns dieses feine Lineup nicht entgehen lassen können und die Qualitäten des düsteren Doppels beim Tourstopp in der Kölner Essigfabrik überprüfen.

Schon beim Beginn der Show scheint sich dabei die Herangehensweise voll und ganz auszuzahlen, denn pünktlich zum Beginn um 20:00 Uhr ist die alte Industriehalle am Rheinufer bestens gefüllt und bejubelt die Düster-Metaller MOONSPELL bereits beim Opener ‚Em Nome Do Medo‘ vom aktuellen Langeisen „1755“ entsprechend begeistert. Beim Blick ins Publikum fällt dabei schnell auf, dass gut die Hälfte der Zuhörer in Shirts der Portugiesen unterwegs ist und damit wahrscheinlich extra wegen der nominellen Vorband den Weg nach Köln angetreten hat. Der Status des Support hat dementsprechend auch nur auf dem Papier Bestand, denn von der Stimmung her könnte man es hier auch locker mit dem Headliner zu tun haben. Egal ob bei Klassikern wie ‚Alma Mater‘, älteren Tracks wie ‚Night Eternal‘ oder dem brandneuen ‚In Tremor Dei‘, jeder Refrain wird lautstark mitgesungen und sogar die ersten Crowdsurfer finden ihren Weg quer durch die Essigfabrik. Die Unterstützung belohnen Fernando Ribeiro und seine Jungs mit einem druckvollen Set, das sich auch in Sachen Bühnenshow und kleinen visuellen Gimmicks nicht vor der späteren Hauptband des Abends verstecken muss. Einzig die Gitarre von Ricardo Amorim versinkt leider etwas zu sehr im Gesamtsound, was gerade vielen der aktuellen Songs von „1755“ leider etwas den Druck nimmt. Das bleibt jedoch das einzige Manko einer ansonsten rundum gelungenen Show, die schließlich nach rund einer Stunde mit ‚Full Moon Madness‘ ein würdiges und noch einmal lautstark gefeiertes Ende findet.

Beim folgenden Umbau rächt sich dann die Gleichstellung der beiden Bands für die Zuhörer allerdings ein wenig, denn da auch die Protugiesen für ihre Show die komplette Bühnenbreite nutzen durften, dauert der Abbau doch deutlich länger als gewohnt. Am Ende vergeht mehr als eine halbe Stunde, bis das Saallicht endlich erlischt und das Intro ‚Ave Satani‘ die Show von CRADLE OF FILTH passend einläutet. Selbige beginnt dann auch mit einer Überraschung, denn anstatt mit Tracks des aktuellen Albums loszulegen, werfen die Briten mit dem famosen ‚Gilded Cunt‘ und ‚Beneath The Howling Stars‘ erst einmal einen Blick in die eigene Vergangenheit, bevor mit ‚Blackest Magick In Practice‘ der wohl stärkste Songs des Vorgängers „Hammer of the Witches“ das jüngere Werk der Grenzgänger zwischen Gothic und Black Metal gewürdigt wird. Erst danach gibt es mit ‚Heartbreak And Seance‘ endlich die erste Komposition von „Cryptoriana – The Seductiveness of Decay“ zu hören, die dank der ausladenden Chor-Arrangements auch auf der Bühne eine extrem gute Figur macht.

Den Grund für die etwas ungewohnte Songauswahl gibt Mr. Filth im weiteren Verlauf des Abends bekannt, denn in diesem Jahr feiert das Debüt „Cruelty And The Beast“ seinen zwanzigsten Geburtstag, was im weiteren Verlauf des Jahres laut Aussage des Fronters auch noch mit einer speziellen Sonderedition gefeiert werden soll. Als Schmankerl vorweg kredenzt das Sextett für die Anwesenden aber heute schon einmal das Epos ‚Bathory Aria‘ von eben jenem Erstling, das gerade in den letzten Jahren selten Beachtung in den Setlisten fand und daher umso mehr Applaus erntet. Gleichzeitig bietet der Song dem Mastermind und Namensgeber auch Gelegenheit seine charakteristischen hohen Screams zur Schau zu stellen. Doch nicht nur Dani präsentiert sich heute in bester Verfassung, auch der Rest der Band wirft sich in jede nur denkbare Pose und trägt damit zum eindrucksvollen, beinahe an eine Messe erinnernden Konzerterlebnis bei. Einzig das Problem mit den Sechssaitern hat der Tontechniker auch beim Headliner noch immer nicht in den Griff bekommen und so gehen auch hier leider einige der feinen Gitarrenmelodien zwischen den Keyboards vom Band und den generell lauten Drums unter.

Der allgemeinen Stimmung tut das heute Abend allerdings keinen Abbruch und so gibt es auch bei der Show des Headliners bald die ersten Crowdsurfer zu bestaunen, die sich über die Köpfe des Publikums hinweg nach vorne tragen lassen. Umso überraschender kommt das recht zeitige Ende des schwarzmetallischen Spektakels mit dem starken ‚You Will Know The Lion By It’s Claws‘ nach gerade einmal acht Songs. Doch das Ganze scheint eine geplante dramaturgische Einlage der Briten zu sein, denn die lautstarken Rufe nach einer Zugabe werden prompt mit einem fast halbstündigen Zugabenblock belohnt, bei dem natürlich auch ‚Her Ghost In The Fog‘ und der Hit ‚Nymphetamine (Fix)‘ nicht fehlen dürfen. Das stimmt dann auch die Zuschauer versöhnlich und so wird das Sextett schließlich nach einer insgesamt stattlichen Spielzeit mit einem ordentlichen Schlussapplaus auf den Weg zum nächsten Tourstopp geschickt.

Unter dem Strich bleibt damit nur festzuhalten, dass sich vielleicht mehr Bands wieder auf diesen reduzierten Ansatz mit weniger Bands besinnen sollten. Weitere Vorbands hat heute Abend jedenfalls keiner vermisst und auch die recht frühe Show von MOONSPELL hat unter dem Mangel eines vorherigen Anheizers keinesfalls gelitten. Stattdessen gab es zwei Co-Headliner auf Augenhöhe zu bestaunen, die dank zueinander passender musikalischer Ausrichtung für einen rundum gelungenen Abend gesorgt haben.